Bis Mitte der neunziger Jahre waren die Genehmigungsverfahren für Windanlagen von Unsicherheit und willkürlichen Einzelfallentscheidungen geprägt. Einige Windanlagen aus jener Zeit stehen deshalb auch an Standorten, die nach den heutigen Vorschriften nicht mehr zulässig wären. Durch die Weiterentwicklung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und nicht zuletzt durch die Rechtsprechung ergeben sich allmählich einheitliche Regelungen für die Bauleitplanung und die Baugenehmigungsverfahren.
Das deutsche Bauplanungsrecht unterteilt das Gebiet einer Kommune in drei Bereiche: den Außenbereich, den durch Bebauungspläne erfassten Bereich und den Innenbereich (zusammenhängende Ortsteile ohne Bebauungsplan). Der Außenbereich, der meistens den größten Teil einer Kommune umfasst, soll grundsätzlich von jeder Bebauung freigehalten werden, um eine Zersiedelung zu vermeiden. Zulässig im Außenbereich sind jedoch die sogenannten "privilegierten Vorhaben", das sind
gesellschaftlich erforderliche
Maßnahmen, die sich in der bebauten Umgebung
nicht oder nicht in ausreichendem Umfang
durchführen lassen. Seit 1997 sind Errichtung und Betrieb von Windanlagen baurechtlich privilegiert, ähnlich wie vorher schon die Landwirtschaft, die Abwasserwirtschaft oder die öffentliche Versorgung mit Elektrizität, Gas, Telekommunikationsdienstleistungen, Wärme und Wasser und nicht zuletzt die Nutzung der Atomenergie und die Entsorgung radioaktiver Abfälle.
Der Gesetzgeber hat also festgelegt, dass Windanlagen in den Außenbereich gehören, ein Bebauungsplan ist nicht erforderlich. Windanlagen dürfen überall gebaut werden, wo keine öffentlichen Belange entgegenstehen (s.u.). Prinzipiell hat jeder Grundstückseigentümer das Recht, sein im Außenbereich gelegenes Grundstück für die Errichtung einer Windanlage zu nutzen oder von anderen nutzen zu lassen. Die Baugenehmigungsbehörde darf den Bauantrag nur dann ablehnen, wenn die Errichtung der Windanlage auf keine Art und Weise mit
in Einklang gebracht werden kann. Dann „steht dieser Belang entgegen“, er wird auf nicht hinnehmbare Weise beeinträchtigt. Im Baugesetzbuch § 35 (3) sind einige öffentliche Belange aufgeführt, die berührt sein könnten. Die Liste ist nicht abschließend. Alle betroffenen Belange dürfen zwar beeinträchtigt werden, aber nicht so sehr, dass sie „entgegenstehen“. Die Unterscheidung zwischen „beeinträchtigt werden“ und „entgegenstehen“ ist ebenso fundamental wie schwammig und bildet eine Hauptbeschäftigung der Verwaltungsgerichte.
Jedenfalls muss die Genehmigungsbehörde die öffentlichen Belange gegen das Recht auf Windenergienutzung abwägen, wobei die Windenergie - genau wie die Landwirtschaft usw. - wegen der Privilegierung ein großes Gewicht besitzt. Der Bauantrag muss also genehmigt werden, auch wenn z. B. das Landschaftsbild oder das Ortsbild beeinträchtigt wird. Ablehnen darf die Behörde nur dann, wenn
Dies wäre der Fall, wenn etwa eine Windanlage so nah an einem Wohnhaus errichtet werden soll, dass die gesetzlichen Schallschutzvorschriften auf keine Art und Weise (Drosselung, Nachtabschaltung, Lärmschutzwände) zu erfüllen sind.
Diese weitgehende Baufreiheit ist aber nur die halbe Wahrheit, die Praxis sieht in den meisten Fällen anders aus. Gleichzeitig mit der Einführung der Privilegierung hat der Gesetzgeber nämlich den Kommunen und den Bundesländern in einer Zusatzvorschrift ein Instrument an die Hand gegeben, mit dem das Recht auf Windkraftnutzung drastisch eingeschränkt werden kann. Diese Zusatzvorschrift (BauGB §35 (3) letzter Satz) besagt, bezogen auf den Fall der Windenergienutzung: :
Öffentliche Belange stehen der Errichtung von Windanlagen in der Regel auch dann entgegen, soweit die Ausweisung eines Gebietes für Windanlagen an anderer Stelle erfolgt ist.
Eine Gemeinde kann einen Teil ihres Gebietes, eventuell mehrere Teilflächen, für die konzentrierte Errichtung von Windanlagen ausweisen und dann "in der Regel" (also nicht immer) Bauanträge im restlichen Gemeindegebiet ablehnen. Von dieser Möglichkeit zum Aushebeln der Privilegierung machen die Gemeinden (z. T. auch die Bundesländer) reichlich Gebrauch, bemerkenswerterweise aber nur in Bezug auf die Windenergienutzung, nicht auf andere privilegierte Vorhaben. Für die Landwirtschaft, die Atomenergienutzung und die Lagerung radioaktiver Abfälle hat der Gesetzgeber ein solches Schlupfloch gar nicht erst eröffnet. Hier haben die Gemeinden praktisch keine Einschränkungsmöglichkeiten.
In vielen Gemeinden sind nur sehr kleine, oder aber für die Windenergienutzung ungeeignete Flächen ausgewiesen worden. Eine solche Alibi-Ausweisung erhebt die gesetzliche Ausnahme (Bauverbot für ein privilegiertes Vorhaben) zur Regel, eine Rechtsvorschrift, die eigentlich zur Förderung der Windenergienutzung gedacht ist, wird als Verhinderungsinstrument missbraucht. Wo genau die Grenze zu ziehen ist, lässt sich zur Zeit nicht sagen, da bisher nur wenige diesbezügliche Gerichtsurteile vorliegen. Entscheidend wird vermutlich das Verhältnis von Konzentrationsfläche zu Ausschlussfläche sein. So schreibt beispielsweise das Oberverwaltungsgericht NRW in einem Urteil (AZ 8 A 2138/06), das die Ablehnung eines Bauantrages aufhebt:
"Die … angeführten Gründe stehen vielmehr zu der privilegierten Nutzung der Windkraft außer Verhältnis. [Es] … stehen … nur noch etwa 0,43% des gesamten Gemeindegebietes … tatsächliche für die Windkraft zur Verfügung.“
Eine der wichtigsten energiepolitischen Aufgaben des Bundesgesetzgebers wäre es, die Ausnahmeregelung in § 35(2) BauGB zu präzisieren, etwa dahingehend, dass die "Ausweisung an anderer Stelle" mindestens 10% des Plangebiets umfassen muss, um der Durchführung des privilegierten Vorhabens entgegenzustehen. Eine Gemeinde könnte dann maximal 90% ihres Gebiets zur Verbotszone für Windanlagen erklären.
Die Stadt Aachen hat im Jahr 1997 ca. 0,4% des Stadtgebiets für die Windenergienutzung ausgewiesen und verweigert seither Baugenehmigungen an anderer Stelle. Zur Zeit laufen Planungen zur Bereitstellung weiterer Windflächen.
© HK, www.Aachen-hat-Energie.de, 2011