Ende der achtziger Jahre keimten in Aachen, wie andernorts auch, Überlegungen zur Nutzung der Windenergie.
Eine erstes kleines Windrad (Leistung 5 kW, Nabenhöhe 15 m) ging nach einem
längeren Genehmigungsverfahren im Jahre 1991 am Paulinenwäldchen
(Aachen-Berensberg) in Betrieb. Es wurde nach wenigen Jahren wegen technischer
und wirtschaftlicher Probleme wieder abgebaut.
Der Verein Wind e. V. plante seit 1990 die Errichtung einer etwas
größeren Anlage. Gegen dieses "Riesenwindrad" (Originalton der
Aachener Presse) trugen der Naturschutzbund und der Landschaftsbeirat
(beratendes Gremium bei der Landschaftsbehörde) große Bedenken vor,
vor allem im Hinblick auf die Gefährdung der Vogelwelt und die
Verunstaltung des Landschaftsbildes. Nach aufgeregter Debatte und
mehrjährigem Hin und Her (darüber wird an anderer Stelle berichtet)
konnte Ende 1993 die 80 kW-Anlage am Schlangenweg ihre Arbeit aufnehmen, die sie
seither unermüdlich verrichtet.
(
Karte)
Eine weitere Einzelwindanlage ging im Jahre 1995 auf dem Gelände der Technischen Hochschule Aachen, neben dem TH-Heizwerk und der Feuerwache Nord, in Betrieb. Mit 500 kW Nennleistung und einem Rotorkreisdurchmesser von 40 m entsprach diese Anlage dem damals neuesten Stand der Technik. Diese Anlage wurde inzwischen zum Ende ihrer Laufzeit wieder demontiert.
Die Querelen um die ersten Windanlagen, vor allem um das Projekt des Wind
e.V., entfachten vielfältige Aktivitäten bei der Stadt Aachen. Die
weitere Entwicklung der Windenergienutzung sollte in geordneten Bahnen im Rahmen
eines städtischen Gesamtkonzepts erfolgen.
So wurde ab 1990 das ganze
Stadtgebiet bezüglich der Möglichkeiten der Windenergienutzung
untersucht. Durch eine Serie von Windmessungen und durch anschließende
Computerberechnungen wurden die Windverhältnisse flächendeckend
ermittelt, unter Berücksichtigung der
"Oberflächenrauhigkeit" (Bebauung, Bewaldung usw.) und der
Geländestrukturen (Hügel, Höhenrücken, Täler). Vor
allem die Geländestrukturen beeinflussen die Luftströmung sehr stark.
Die Untersuchungen mündeten im November 1994 in einem Abschlußbericht
für die Stadt Aachen.
Das folgende Bild zeigt die Aachener Windpotentialkarte. Die windreichsten
Standorte sind violett hervorgehoben. Wie aufgrund der Aachener Talkessel-Lage
nicht anders zu erwarten, liegen die für die Windenergienutzung
interessanten Standorte auf den Höhenrücken im Aachener
Außenbereich.
Ein Großteil der windhöffigen Standorte steht wegen der Nähe
zur Bebauung (Lousberg) oder wegen anderer Belange (Naturschutz, Flugsicherheit
u. a.) nicht für die Errichtung von Windanlagen zur Verfügung. Es
verbleiben vor allem die freien Lagen im Nordwesten (Teile der Stadtbezirke
Laurensberg und Richterich) sowie einige Einzelstandorte im Südraum. Sehr
gute Windverhältnisse herrschen auch auf den Bergkuppen und
Höhenrücken im Aachener Wald.
Nach Abschluss der Windpotential-Untersuchungen zeichneten sich drei Kandidaten
für eine erste planerische Ausweisung von Flächen für die
Windenergienutzung ab: der Bereich Schlangenweg (nördlich von Vaals),
der Vetschauer Berg (südöstlich von Bocholtz) sowie das südlich
angrenzende Hochplateau oberhalb Seffent.
Zur weiteren Flächeneingrenzung wurden in den Jahren bis 1997 umfangreiche
Analysen zu verschiedenen Fragestellungen durchgeführt, die mit der
Windenergienutzung in Zusammenhang stehen.
Wie schon bei der Diskussion um die 80 kW-Windanlage am Schlangenweg galt dem
Vogelschutz besonderes Augenmerk. Zwar hatten sich die Bedenken bezüglich
dieser kleinen Pionieranlage im Nachhinein als unbegründet erwiesen, wie
eine ornithologische Nachuntersuchung zeigte, aber die grundsätzlichen
Vorbehalte der Vogelschützer gegen die Errichtung von Windanlagen waren
nicht ausgeräumt, so dass eine
weitere Untersuchung durchgeführt wurde.
In einer zusammenfassenden Bewertung kam die Stadt Aachen zu dem Ergebnis, dass
alle bei der Errichtung eines Windparks zu berücksichtigenden Bedingungen
am ehesten am Vetschauer Berg zu erfüllen sind. Für diesen Bereich
wurde dann eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt,
in der neben den bereits genannten Punkten die Auswirkung von Windanlagen auf
den Boden (Versiegelung) und das Grundwasser, auf Klima und Lufthygiene
sowie auf die Anwohner (Lärm, Schattenwurf) erfasst wurden.
Allgemeines zum Bauplanungsrecht
Als 1997 die Konzentrationszone für den Windpark ausgewiesen wurde, war der Flächennutzungsplan der Stadt Aachen seit 1980 bereits 65 mal geändert worden. Dabei ging es in der Regel darum, zusätzliche Flächen für die Wohn- oder Gewerbebebauung bereitzustellen. Manche Anwohner, die vielleicht heute die „Landschaftszerstörung“ durch den Windpark beklagen, wohnen in Häusern, für deren Errichtung extra Flächen des Außenbereichs zu Bauland umgewidmet werden mussten. Dieser Drang zu immer mehr Pro-Kopf-Wohnraum und zum Wohnen im Grünen machte die Neubauflächen natürlich vollständig für die bisherigen Zwecke (Landwirtschaft, Naherholung, Naturschutz) unbrauchbar.
Relativer Naturverbrauch durch Neubauten im obigen Kartenausschnitt |
|||
(Windanlagen = 1) |
Windpark |
Neubau von Ein- und Zweifamilienhäusern |
Neubau von Verkehrswegen |
Bodenversiegelung |
1 |
9 |
36 |
Verlust an Acker- und Weideland |
1 |
8 |
6 |
Bei der Ausweisung der Konzentrationsfläche für den Windpark verblieben aber 98% der Fläche in der bisherigen Nutzung. Kein Baum musste für den Windpark weichen, die geschützten Landschaftsbestandteile der Höckerlinie blieben unverändert, es wird weiterhin Landwirtschaft betrieben, und seit Errichtung des Windparks zieht der Vetschauer Berg mehr Spaziergänger an als vorher.
Im Planverfahren hatte die Stadt nicht nur die Gesamtfläche des
Windparks, sondern auch die Größe und die Standorte der einzelnen
Windanlagen genau vorgeschrieben. Acht der neun Standorte liegen auf
städtischen Grundstücken, so dass die Stadt durch die Vergabe der
Pachtflächen entscheiden konnte, welche Betreiber die Windanlagen errichten
sollten. 1995 wurde in Aachen die kostendeckende Vergütung für Strom
aus Solar- und Windanlagen eingeführt. So stand einer zügigen
Realisierung des Windparks eigentlich nichts im Wege. Doch es dauerte nach der
Flächenausweisung noch mehr als fünf Jahre, bis die letzte der neun
vorgesehenen Anlagen in Betrieb ging.
Im Jahre 1997 waren die Planungen soweit abgeschlossen, dass von der Aseag
Energie GmbH (damals Stromversorger in Laurensberg, seit 2004
enwor)
eine erste Windanlage im am Vetschauer Berg (Standort 5) errichtet werden konnte.
Für die erste Windanlage gewährte die Europäische Union einen
Zuschuß von mehr als 1 Mio. DM.
An dieser Anlage wurden in einem zweijährigen Forschungsprojekt
ausführliche Messungen, u. a. zu den Schallemissionen, durchgeführt.
Dabei (wie auch bei späteren Nachmessungen nach Errichtung des gesamten
Windparks) bestätigten sich die zuvor berechneten Daten.
Die NEA Neue Energie GmbH erhielt ebenfalls eine Baugenehmigung (Standort 2),
konnte diese aber zunächst nicht umsetzen, da jahrelang über die
Höhe der kostendeckenden Vergütung für Windstrom gerungen wurde.
Nachdem Stawag und Aseag trotz heftigster Gegenwehr das
„Aachener Modell“ nicht hatten verhindern
können, rechneten sie nun die Windenergie billig. In Aachen sei ein
rentierlicher Betrieb von Windanlagen mit einer für fünfzehn Jahre
gewährten Einspeisevergütung von 13 Pfg./kWh möglich, so
hieß es plötzlich. Die Aachener Politiker baten darauf hin die
Stawag, die Windanlagen selbst zur errichten und dabei eine
Bürgerbeteiligung zu ermöglichen.
Die Stawag baute dann 1999 auf dem windreichsten der neun Standorte eine Windanlage
(Standort 1), teilte aber schon im Vorfeld mit, weitere Anlagen seien nicht
geplant, da der Betrieb auf den weiteren windschwächeren Standorten mit
der damaligen gesetzlichen Vergütung von 16 Pfg/KWh unwirtschaftlich sei.
Durch diese abermalige Kehrtwendung glaubte man, das Thema Windenergie zu den
Akten legen zu können. Nach einigem Hin und Her vergab die Stadt Aachen
dann vier Standorte an die
Bürgerbeteiligungsgesellschaft Energie 2030.
Nachdem inzwischen im Jahre 2000 die Windstromvergütung durch das
Erneuerbare-Energien-Gesetz auf 9,1 ct/kWh angehoben wurde, bestand auch
eine verlässliche wirtschaftliche Basis für die Windenergienutzung.
Anlage Nr. 2 wurde Ende 1999 von der NEA Neue Energie erbaut, nachdem der
Windanlagenherstellers Enercon
in die Gesellschaft eingetreten war. Dies ist die
Anlage mit dem Besucherrondell,
die auch bestiegen werden kann. Sie wurde inzwischen von über 10000 Besuchern genutzt.
Anlage Nr. 6 wurde im Dezember 2000 von einem privaten Investor errichtet. Zum
Schluß sprang die Stawag dann doch noch auf den fahrenden Zug und
übernahm den letzten städtischen Standort (Standort 8, Errichtung Ende
2001).
Zur Errichtung der Anlagen 3, 4, 7, 9 durch die Energie 2030
hier.
Die Aachener Aktivitäten in Sachen Windenergienutzung waren auf der anderen
Seite der Grenze nicht unbemerkt geblieben. Schon die 1993 errichtete kleine Windanlage
(
Karte)
hatte für einige Aufregung in Vaals und Umgebung gesorgt, von wo aus die
80 kW-Turbine gut sichtbar ist. An den Planungen des EuroWindParks wurden
die niederländischen Nachbargemeinden beteiligt, und offenbar waren diese
Kontakte ansteckend: im Jahr 1999 wurde auf der anderen Seite der Grenze, in
Heerlen, eine Windanlage (750 kW) errichtet. Sieben Jahre lang blieb sie in
der Provinz Limburg ohne Konkurrenz, bis dann Mitte 2006 zwei Anlagen (je
2,5 MW) in Kerkrade hinzukamen, wieder direkt an der deutsch-
niederländischen Grenze und in Sichtweite des Windparks am Vetschauer Berg.
Der EuroWindPark wird also wirklich seinem Namen gerecht.
Auch nach Belgien bestehen Verbindungen: An den Windanlagen 3, 4, 7, 9 des
EuroWindParks ist die
Genossenschaft Energie 2030
maßgeblich beteiligt, sie hatte 1998 in St. Vith die größte
private Windanlage Belgiens errichtet. Im Windenergiesektor bewährt sich
also die grenzüberschreitende Zusammenarbeit im Aachener Dreiländereck.
In 2010 wurden in Aachen bei einer insgesamt installierten Leistung von
15,6MW 19588 MWh Windstrom erzeugt. Bei einer
STAWAG-Stromerzeugung von 1 334 000 MWh entspricht dies 1,4% des Aachener Strombedarfs. Bundesweit lag der Anteil des Windstroms bei etwa 6,2%, Aachen ist hier also noch weit zurück.
Die aktuellen Zahlen (2/2016) für Aachen lauten gemäß LANUV (Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW) : 12 Anlagen, 16,72MW installierte Leistung (offensichtlich fehlerhaft bez. der Anlage Schlangenweg), 24560 MWh/a Windstrom.
© HK, WW, www.Aachen-hat-Energie.de, 2011